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Personalauswahl: Der mysteriöse Zusammenhang zwischen Eignung und Erfolg
Unternehmen erwarten von Auswahlverfahren, dass sie die Best-Geeigneten auswählen. Den Anwendungsnutzen dieser Verfahren evaluieren sie am Erfolg der Ausgewählten. Die Problematik dieses implizit angenommenen Zusammenhangs zwischen Eignung und Erfolg beleuchten die folgenden drei Beispiele:
Beispiel 1: M, head of personal development eines mittelständischen Unternehmens (600 Außendienstmitarbeiter) hat bei der Geschäftsleitung die Nutzungsrechte an einem speziell für den Außendienst entwickelten Eignungstest durchgesetzt. Bedingung war allerdings, dass die Kosten-Nutzen Relation dieses Verfahrens regelmäßig zu evaluieren ist. Die Evaluation nach zwei Jahren war auf den ersten Blick ernüchternd: R = 0.3 für den Validitätskoeffizienten, der den Zusammenhang zwischen dem Testergebnis der Ausgewählten und ihrem Umsatz ausgedrückt. Mit anderen Worten: Lediglich 9 Prozent des unterschiedlichen Erfolgs lassen sich aus dem Eignungstest vorhersagen, die restlichen 91 Prozent bleiben unerklärt. Das scheint nicht zum zweiten Evaluationergebnis zu passen: 72 Prozent der Ausgewählten erwirtschaften einen Umsatz, der sie nach Unternehmensmaßstäben als „erfolgreich“ bis „sehr erfolgreich“ ausweist. Wie passen diese beiden Ergebnisse zusammen?
Beispiel 2: Die deutschen Integrationsanstrengungen für Migranten sind, wie interne Erfahrungsberichte belegen, wenig erfolgreich. Man kann davon ausgehen, dass Art und Umfang der Integrationsmaßnahmen nicht „aus der Luft gegriffen“ waren, sondern auf früherer Erfahrung basieren. Offenbar genügen sie hier nicht für einen greifbaren Erfolg. Beruht diese Erwartungsenttäuschung nur auf Zufall, ist sie also unbegründet, oder hat sie eine wahre Ursache?
Beispiel 3: Einige Fußballvereine schaffen es, trotz überschaubarem Budget und ohne Stars, ihren Platz in der höchsten deutschen Liga zu behaupten. Andere Vereine, mit vergleichbarer Qualität des Spielerkaders steigen trotz höherem Budget ab. Ist das Zufall, oder gibt es auch hier eine wahre Ursache?
Die Antwort in allen drei Fällen ist die richtige Antwort auf die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Eignung und Erfolg. Nur welche ist richtig?
Eignung und Erfolg – die falsche und die richtige Antwort
Die übliche Antwort lautet etwa so: „Je besser geeignet, umso größer selbstverständlich auch der zu erwartende Erfolg“. Sehr schnell wird allerdings klar, dass in dieser Antwort eine richtige und eine falsche Annahme stecken: Richtig ist: Der Zusammenhang zwischen Eignung und Erfolg ist – mathematisch ausgedrückt – „monoton“, mit höherer Eignung wächst die Erfolgschance. Falsch ist: Dieser Zusammenhang ist linear.
Offenbar neigt der Mensch dazu, wenn es um monotone Zusammenhänge geht, immer zuerst an lineare Zusammenhänge zu denken. Bei Gesprächen mit Unternehmen wird allerdings sehr schnell klar, dass der Zusammenhang zwischen Eignung und Erfolg überhaupt nicht linear sein kann. Das würde nämlich bedeuten, die Eignung eines Mitarbeiters, das, was er von sich aus an kognitivem und persönlichem Potential mitbringt, sei für seinen Erfolg völlig hinreichend, und externe (allgemeine Wirtschaftslage, Konkurrenzsituation am Markt usw.) und unternehmensinterne Faktoren (Ablauforganisation, Team usw.) hätten überhaupt keine Erfolgsrelevanz. Tatsächlich aber kann der Erfolg aus diesen Gründen selbst bei maximaler Eignung hinter der Erwartung zurück bleiben.
Die Erfolgschance macht am oberen Ende der Eignungsskala einen Knick, was mit der Linearitätsannahme unvereinbar ist. Am unteren Ende der Eignungsskala widerlegen Beispiel 2 und die Erfahrungen deutscher Handwerksbetriebe die Linearitätsannahme: Mangelndes Angebot an Lehrlingen zwingt sie, wenig Geeignete anzunehmen. Bei diesen zeitigen die bisher üblichen eignungsfördernden Maßnahmen jedoch weitaus geringeren Effekt als das früher, bei besser geeigneten Lehrlingen der Fall war. Eine Steigerung der Eignung um den Betrag ∆X bringt im unteren und untersten Eignungsbereich eine deutlich geringere Verbesserung der Erfolgswahrscheinlichkeit ∆Y, als im mittleren Eignungsbereich.
Dies zusammen genommen führt zu dem Schluss, dass der Zusammenhang zwischen Eignung und Erfolg/Erfolgschance nur die nonlineare Form in der nebenstehenden Abbildung haben kann (durchgezogene Linie): Die Erfolgschance wird erst ab einem – je nach Tätigkeitsanforderung verschiedenen – Eignungsgrad deutlich größer als Null.
Und sie erreicht einen – je nach Rahmenbedingungen unterschiedlich hohen – Grenzwert, der auch bei noch größerer Eignung nicht übertroffen werden kann. Diese Form beantwortet die Fragen in Beispiel 2 und 3, bei genauerem Hinsehen auch die in Beispiel 1: Angenommen, das Auswahl-verfahren (der Eignungstest) ist tatsächlich anwendungstauglich, es trennt – dem korrekten Zusammenhang entsprechend zuverlässig – Bewerber mit besseren und weniger guten Erfolgschancen.
Das Unternehmen hält sich an die Empfehlung des Auswahlverfahrens, es wählt aus den Bewerbern nur die mit entsprechend hoher Eignung aus. Das Ergebnis der Evaluation wird in diesem Fall mathematisch zwingend so lauten, wie in Beispiel 1: Ein zwar nicht maximaler, aber doch hoher Prozentsatz Erfolgreicher und gleichzeitig ein Validitätskoeffizient nahe bei Null.
Man könnte mit Hinweis auf die Abbildung argumentieren, dass der Zusammenhang zwischen Eignung und Erfolg ja stückweise angenähert linear sei, und daraus schlussfolgern, dass ein angenähert linearer Zusammenhang insgesamt nicht so weit weg von der Realität sei. Diese Schlussfolgerung ist das Problem. Denn sie kann zu unternehmerischen Fehlentscheidungen mit entsprechenden Kosten verleiten. In jedem Bewerbungsprozess geht es um Fragen des Inhalts:
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Wie groß ist die Erfolgswahrscheinlichkeit des Bewerbers mit der Eignung x?“
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„Angenommen, es gelingt, durch Fördermaßnahmen seine Eignung um den Betrag ∆X zu verbessern, um welchen Betrag ∆Y wird sich dann seine Erfolgschance erhöhen, in welchem Verhältnis stehen Aufwand und Ertrag?“
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Um welchen Betrag ∆Y ist die Erfolgswahrscheinlichkeit höher, wenn wir anstelle des Bewerbers mit der Eignung x einen Bewerber mit der Eignung x + ∆X auswählen, auch wenn er das Unternehmen deutlich mehr kostet? In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Ertrag hier?
Wie unterschiedlich im Einzelfall die „lineare“ und die „nonlineare“ Antwort auf diese Fragen ausfallen können – mit entsprechenden Konsequenzen – wird mit Blick auf die Abbildung klar:
Die Erfolgswahrscheinlichkeit des Bewerbers mit der Eignung x?“
Die „lineare“ Antwort: „Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist umso größer, je höher die Eignung. Deshalb wählen wir nur die Best-Geeigneten aus.“
Die „nonlineare“ Antwort: Die Auswahl der Best-Geeigneten gewährleistet keinesfalls höchste Erfolgswahrscheinlichkeit. Eignung ist notwendig, aber nicht hinreichend für Erfolg. Für eine realistische Erfolgseinschätzung sind auch die erfolgsrelevanten, nicht in der Person des Mitarbeiters liegenden Rahmenbedingungen zu berücksichtigen: Die allgemeine Marktsituation, die Mittbewerber am Mark und die Ausstattung, die das Unternehmen selbst bereitstellt (Arbeitsplatz, Einarbeitung/Betreuung, usw.). Und es ist zu fragen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die persönlichen Erfolgsvoraussetzungen des Mitarbeiters diese erfolgsrelevanten Bedingungen kompensieren können? Die „lineare“ Antwort kann beträchtliche Fehlkosten generieren. Die Fälle millionenschwerer Fußballprofis, die dann nicht die erwartete Leistung bringen – z.B. weil sie nicht ins Team integrierbar sind – sollten warnendes Beispiel sein.
Der Ertrag des besser geeigneten, wenn auch teureren Bewerbers?
Die „lineare Antwort“: „Wir wählen immer den Besten aus, auch wenn er deutlich mehr kostet. Der Beste ist für uns gerade gut genug, weil er die größere Erfolgschance hat.“
Die „nonlineare“ Antwort: Die Abbildung und Beispiel 3 entlarven Personalentscheidungen nach diesem Motto als überzogen: Einer um den Betrag ∆X höheren Eignung entspricht im oberen Eignungsbereich keine substantielle Erhöhung der Erfolgswahrscheinlichkeit. Aufwand und Ertrag stehen in keinem sinnvollen Verhältnis zueinander. Das Motto, der Beste sei gerade gut genug, beinhaltet auch das Risiko; Überqualifizierte zu engagieren, die infolge Unterforderung nicht lange im Unternehmen bleiben. Wesentlich ertragreicher ist die Konzentration auf Bewerber mittlerer Eignung und diese bedarfsgerecht zu fördern.
Kosten und Nutzen der Eignungsförderung?
Die „lineare“ Antwort: „Förderung ist immer zu empfehlen, besonders bei weniger Qualifizierten – letzteres auch aus humanitären Gründen.“
Die „nonlineare“ Antwort: Im unteren Bereich ebenso wie im oberen steht dem Förderungsaufwand kaum nachweisbarer Erfolg entgegen – eine Erfahrung, die derzeit viele Integrationsoptimisten und auf der anderen Seite Trainer von sog. „Topteams“ machen müssen. Der Förderaufwand verspricht den meisten Nutzen im mittleren Eignungsbereich. Wenn humanitäre Überlegungen Förderung im unteren Eignungsbereich empfehlen, ist zu bedenken, dass der Förderaufwand und die Frustrationstoleranz wegen ausbleibender Effekte dort weitaus größer sein werden, als vorausberechnet. Das betrifft auch die aktuelle Misere beim Facharbeiternachwuchs. Wer aus der Not heraus Unqualifizierte für anspruchsvollere Tätigkeiten auswählt, muss auch bereit und in der Lage sein, den damit verbundenen überproportional hohen Förderaufwand in Kauf zu nehmen.