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Was hat es mit den Typen-Tests auf sich?
Eignungstests sollen jene Bewerber auswählen, die den speziellen Anforderungen des Berufs gewachsen sind. Weil aber z.B. „Kundenorientierung“ im Handwerksbetrieb nicht das Gleiche ist, wie in einem IT-Konzern, müssen Eignungstests inhaltlich immer auf die speziellen Anforderungen aufgerichtet sein. Nur so können sie maximalen Anwendungsnutzen entfalten. Solche Eignungstests zu entwickeln macht Arbeit, kostet Geld. Daher greifen Unternehmen gerne auf Vorhandenes zurück, z.B. auf den Meyers-Briggs-Typen-Indikator (MBTI). Dieser ist nicht berufsspezifisch.
Was also macht ihn so attraktiv? Es gibt zwei Gründe:
Der erste Grund hat mit der verbreiteten Vorliebe zu tun, Menschen in Typen einzuordnen. Das erleben wir im täglichen Sprachgebrauch (der „Individualist“, der „Egoist“, der „Feigling“, ...), bei den Horoskopen (der „Widder“, die „Waage“, …), ja sogar in der Wissenschaft (der „Athletiker“, der „Pykniker“, der „Leptosome“). Diese Typologien ordnen jedem Typ bestimmte Charakter- und Verhaltenseigenheiten zu, das allerdings mit breit gefassten, unklaren Begriffen. Und das ist das Typische an Typologien, die breit gefassten, unklaren Begriffe.
So erfährt man (Quelle Wikipedia) im MBTI z.B. über die Aufmerksamkeits-Präferenz (den Typ) „Intuition“: „Der intuitive Geist verlässt sich stärker auf seinen sechsten Sinn, also auf die Interpretation und den Gesamtzusammenhang. Er achtet eher auf das Ganze als auf dessen Teile und ist eher zukunfts- und möglichkeitenorientiert. Er steht außerdem mit Kreativität in Verbindung in Form einer besseren Fähigkeit zu divergentem Denken“. Und zur gegenteiligen Präferenz „Sensorik“: „Der sensorische Geist gewichtet die Rohdaten bzw. unmittelbaren Eindrücke am höchsten. Er ist detailorientiert und exakt im Verarbeiten von konkreter Information sowie im Begreifen des Hier und Jetzt. Es wird davon ausgegangen, dass Sensoriker etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung ausmachen“.
Ist also der sechste Sinn gleichbedeutend damit, sich auf die Interpretation und den Gesamtzusammenhang zu verlassen? Aber was ist überhaupt „der Gesamtzusammenhang“, was wird da „interpretiert“, und was ist „das Ganze“? Wenn behauptet wird, der „sensorische Geist“ sei exakt im Begreifen des „Hier und Jetzt“, was ist genau das „Hier und Jetzt“? Und wenn dieser Punkt geklärt wäre, würde sich laut MBTI der „intuitive Geist“ vom „sensorischen“ dadurch unterscheiden, dass er dieses „Hier und Jetzt“ eher ignoriert. Ist dann Greta Thunberg eher ein „intuitiver“, oder eher ein „sensorischer Geist“? Und wo sind die belastbaren empirischen Belege für die Behauptung, zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung seien Sensoriker? Zur Typologie „Entscheidung“ mit den Typen „Denker“ und „Fühler“ wird behauptet, Schätzungen zufolge seien etwa zwei Drittel der „Denker“ Männer und etwa zwei Drittel der „Fühler“ Frauen. Wo sind hier die empirischen Belege, oder handelt es sich etwa um nichts weiter, als um ein verbreitetes Vorurteil? Beides zusammen genommen wäre Greta Thunberg eine fühlende Sensorikerin – oder doch eher eine intuitive Denkerin, oder vielleicht von allem etwas?
Dieser Spielraum im begrifflich Vagen sorgt dafür, dass „Charakterisierungen“ eines Typs nie ganz falsch sind, so dass jemand, der sich einem Typ zugehörig fühlt, ein gewisses Bekanntheitserlebnis hat und dass jemand, der einen anderen in eine bestimmte Typenschablone steckt, mit seiner „Charakterisierung“ nie ganz danebenliegt. Beide haben eine gewisse Bestätigung, der Typisierte und der Typisierer. Die Psychologie nennt so etwas eine positive Verstärkung. Dagegen ist die Kritik der Wissenschaft an der mangelhaften Validität dieser Typologien machtlos.
Der zweite Grund ist rein statistischer Natur: Die deutsche Wirtschaft hatte in der Vergangenheit das Glück, in jenem Tätigkeitslevel, wo der MBTI zum Einsatz kommt, aus einem reichlichen Bewerberangebot mit einem a priori guten Prozentsatz Geeigneter auswählen zu können. Unter diesen Bedingungen kommt es auf die Validität des Auswahlverfahrens nicht an.
Seit amerikanischen Studien aus den dreißiger Jahren wissen wir nämlich: Ist der Anteil der Geeigneten unter den Bewerbern (die Basisrate) hoch und Selektionsrate gering, bringt jeder „Eignungstest“ und sei er noch so unsinnig, ein zufriedenstellendes Ergebnis:
Sind z.B. unter 10 Bewerbern 8 Geeignete und wählt das Unternehmen rein per Zufall zwei Bewerber aus, so ist die Chance, dass mindestens einer davon geeignet ist, gleich 84 Prozent. Sollte sich diese glückliche Situation allerdings ändern, sollte es zu einem Rückgang der Baserate unter den Bewerbern kommen, wird sich ganz von selbst die Nutzlosigkeit solcher Typologien herausstellen.